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Wenn’s nicht mehr passt, wird umgezogen

Landleben: In Kallenberg lebt dasFedervieh der Familie Hofmann-Wurst in einem luxuriösen Hühnermobil

 

Lieben ihr Hühnervolk: Petra Hofmann und Bernd Wurst. Fotos: E. Layher

Von Ute Gruber

ALTHÜTTE. Noch immer sind die Spuren des Wintersim Schwäbischen Wald sichtbar. Auch im Örtchen Kallenberg bei Althütte. AmOrtsanfang tauchen schemenhaft ein paar zottelige Urviecher im Nebel auf:Schottische Hochlandrinder wenden träge kauend die fransigen Schädel mit dengewaltigen Hörnern. Es ist kalt und klamm, ihr feuchter Atem bildet Reif an denHaaren. Am anderen Ende von Kallenberg steht das nagelneue Hühnermobil derFamilie Hofmann-Wurst. Drinnen ist es mollig warm. 220 Legehennen schauenneugierig gurrend auf die unerwarteten Besucher. Singen nennt der Hühnerfreunddieses Geräusch. Raus will heute keine, zu kalt. Kein Wunder, haben sie drinnendoch alles, was ein Hühnerherz begehrt: Im Untergeschoss Holzhäcksel zumScharren. Hier ist es hell durch die isolierten Fenster, im Sommer werden siedurch luftige Gitter ersetzt. Über die sprichwörtliche Hühnerleiter gelangensie in den oberen Stock, wo es über einem Gitterrost – der Mist fällt auf dasFörderband darunter – Futtertröge und Tränken sowie Sitzstangen für die Nachtgibt. Hier befinden sich auch die Legenester, schön heimelig dunkel hinter demWassertank, mit Dinkelspelzen eingestreut. Im Winter wird der Stall durch LED-Lampen für 14 Stunden beleuchtet, gespeist aus der Solaranlageauf dem Dach.

So weit, so gut. Eben ein moderner, tiergerechter Hühnerstallmit Auslauf. Der Clou am Hühnermobil ist aber, dass das Ganze auf Rädern stehtund mit dem Schlepper an jeden beliebigen Platz gezogen werden kann. „Anunserem alten Hühnerstall hat mich immer gestört, dass der Auslauf so einSchlammloch ist. Nachmittags konnten die Hennen zwar ganz raus auf die Wiesen,aber dazwischen mussten sie immer durch den Matsch“, erzählt Bernd Wurst (44),von Berufs wegen Installateur und Heizungsbaumeister. Schon als junger Spundwar er hühnerbegeistert. Nachdem seine Mutter ihre 200 Hennen wegen ihrerAllergie gegen den Federstaub schweren Herzens aufgeben musste, kaufte er nochals Schüler 8 Stück, damit der Stall nicht länger leer stand. Später waren es48. „Die bekommen jetzt ihr Gnadenbrot im alten Stall. Ich kann die nichtschlachten, schließlich hat da jede einen Namen.“

Wie viele andere Hühnerhalter hatte auch dieFamilie Weiland in Bad Sooden das Problem mit dem unappetitlichen Morast imHühnerauslauf. Sie entwickelte daraufhin vor gut 10 Jahren den fahrbarenHühnerstall mit allem Komfort. Der Trick: Noch bevor der Boden um den Stallherum kahl wird, wird umgezogen! Es wurde ein Verkaufsschlager: FamilieHofmann-Wurst aus Kallenberg hat das 181. Exemplar.

Seit der passionierte Hennenhalter und seine FrauPetra Hofmann (49) durch einen schweren Motorradunfall beide gehbehindert sind,fanden sie durch die Hühner eine neue Freizeitbeschäftigung: chicken-watching!„Da setzen wir uns dann mit dem Feierabend-Bierchen in der einen undHühner-Brot in der andern Hand auf das Rentnerbänkchen und schauen den Hühnernzu. Das ist spannender als jedes Fernsehprogramm.“So zeigte sich zum Beispiel, dass die vier Gockel, die wegen der artgerechtenHaltung angeschafft werden mussten, einen sehr beruhigenden Einfluss auf dieHerde haben. „Da gibt es jetzt längst nicht mehr so viele Rangeleien unter denHennen, es ist einfach klar, wer der Chef ist.“ Dabei habe jeder Gockel seinenbestimmten Harem. Außer dem morgendlichen Weckkrähen (das bekanntermaßen auchzu Nachbarschaftszwist führen kann) habe der Hahn noch andere Laute: „Bei einembestimmten Laut bleiben alle Hennen wie erstarrt sitzen und sindmucksmäuschenstill. Bei einem anderen Warnruf rennen alle sofort in Deckung.“

Obwohl das Hühnermobil alle Anforderungen derbiologischen Anbauverbände erfüllt, will Petra Hofmann von einerBiozertifizierung nichts wissen: „Ich kann das Wort Bio nicht mehr hören.“Schon gar nicht nach den neuesten Skandalen mit Bio-Eiern. „Wir wollen, dass esunseren Tieren gut geht, egal wie das nachher heißt.“ Deshalb haben sie sichentschlossen, sich von der Neuland-Fleisch prüfen zu lassen, die demTierschutzbund angeschlossen ist. Gefüttert werden neben gentechnikfreiemFertigfutter auch Muschelkalk und vom Chef liebevoll handgeraspelte Karotten.

Das Luxus-Wohnmobil für die Legehennen hatallerdings einen stolzen Preis: Kostet der Platz für ein Tier bei stationärerBauweise 60 bis 70 Euro, muss man beim Hühnermobil 133 Euro rechnen. „Das wirdeinige Jahre dauern, bis wir da in die Gewinnzone kommen.“ Deshalb heißt esjetzt: Eier verkaufen, was das Zeug hält. Momentan liegt der Hofladen aber nochim Bausatz neben dem Hühnermobil. „Solange es ständig gefroren ist, können wirdas Fundament nicht betonieren.“ Dafür steht aber die Internet-Seite schon:Unter www.kallenberg-eierschaechtele.dekann man sich informieren. Der Verkauf findet derweil 20 Meter weiter imWohnhaus statt und samstags auf dem Backnanger Markt.